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Freitag, 17. März 2017

my two cents, dear daddy

Wer mich kennt, weiß, dass ich liebend gern rumblödel. Und dann gibt es Momente, da werde ich ganz Ernst.
So einer war, als ich das Video entdeckte, was ich gestern hier gepostet hatte.

Dear Daddy heißt es und ist ein Appell an die Männer, Frauen immer mit Respekt zu behandeln, sie nicht, auch nicht im Scherz Nutte, Schlampe oder Hure zu nennen.

Aber ist es damit getan? Reicht das um die Mädchen, um die Töchter, um die Frauen vor Gewalt zu beschützen?

Das Video provoziert und das ist auch gut so. Es regt zum Nachdenken an und in meinem Fall zum reflektieren.

Da fällt mir zum einen ein, dass dort auf dem Lande, wo ich aufgewachsen bin, die Jungs Ende der Neunziger uns Mädels nicht Nutte, Schlampe, Bitch oder wasweißich hinterher gerufen haben. Und ehrlich gesagt: das hätten sie bei mir mal wagen sollen... Ich hätte es mir nicht gefallen lassen.

Ich mag es heute noch nicht, so genannt zu werden. Und ich hatte durchaus Situationen im BDSM-Kontext wo ich so genannt wurde. Zu meiner Entgeisterung.

Aber es gab eben auch in meinem Leben eine Geschichte, wo Alkohol im Spiel war, wo ich nicht in der Lage war, mein Nein so durchzusetzen, dass ich da wirklich gut rausgekommen bin. Die langjährigen Leser werden sich erinnern. Nüchtern und von außen betrachtet ging alles gut. Für mich ist die Geschichte auch nach mehr als 15 Jahren noch ab und an da, wenn ich die Augen schließe. Selten. Sehr selten nur noch.

Es gibt in meinem Leben noch eine andere Geschichte, die so gut wie keiner weiß und wer weiß, vielleicht hilft mir ja auch hier, das aufschreiben...
Es war gegen 5 Uhr morgens, als ich aufwachte weil Jonas neben mir extremst unruhig schlief. Er träumte heftig, das merkte ich deutlich. Ich legte ihm meine Hand auf den Oberarm um ihn zu beruhigen, um ihm zu signalisieren dass ich da bin. Ein Sekundenbruchteil später spürte ich ein Krachen und hörte meinen eigenen Schrei. So habe ich noch nie im Leben geschrieen. Er hat mir im Schlaf seine Faust aufs Jochbein geschlagen. Mit Anlauf und verdammt gezielt. Scheiß ehemaliger Kampfsportler. Der Schlag hat gesessen, ich war zunächst nicht sicher, ob was gebrochen war. War es nicht. Durch meinen Schrei wurde er sofort wach und er entschuldigte sich tausendfach. Er hatte geträumt, dass ein anderer Mann da sei und mich anmacht. Im Traum hat er den anderen Mann geschlagen.

Natürlich tat es sauweh, natürlich war ich geschockt. Aber ich wusste, dass er wirklich geschlafen hatte, denn ich war ja wach und hatte ihn beobachtet. Seine Geschichte war glaubhaft, ich habe es ihm nicht übel nehmen können, er konnte ja nichts dafür.
Und wie ich mich bei diesen Gedanken so selbst beobachtete, merkte ich, wie schnell Opfer von Gewalt Ausreden und Erklärungen akzeptieren und auch selbst finden um das Handeln ihrer Partner zu rechtfertigen.

Jonas war übrigens einer, der nie eine Frau Schlampe, Hure oder Nutte nannte.

Deswegen denke ich, dass es nicht reicht, seinen Kindern ein gutes Vorbild zu sein und ihnen vorzuleben, dass man andere nicht mit Worten betitelt, die respektlos sind. Wenn ein Mann einer Frau in irgendeiner Art und Weise etwas antun möchte, dann wird er das tun, egal wie er erzogen wurde.

Ich möchte aber noch weiter gehen. Wir haben ein grundsätzliches Problem von respektlosem Verhalten. Ich behandle meine Mitmenschen so, wie ich selbst gerne behandelt werden möchte. Und da mache ich keinen Unterschied, ob ich mit der Kassiererin spreche, mit einem Fremden in der Bahn, mit dem Postboten, mit einem Freund oder mit meiner besseren Hälfte. Ich behandle sie alle respektvoll und freundlich.

In meinem Kollegenkreis sehe ich, dass das nicht überall der Fall ist. Da ist zum Beispiel eine Kollegin, die erst vor vier Monaten geheiratet hat und über ihren Mann manchmal schrecklich herzieht. Und jedesmal denke ich: nein, wenn der Punkt erreicht ist, wo ich SO über meinen Mann denke, dann muss ich mir grundsätzliche Gedanken machen, ob die Beziehung überhaupt funktioniert.

Es braucht im zwischenmenschlichen IMMER Respekt. Es braucht ein "möchte ich, dass mein Partner so mit mir redet oder sollte ich das, was mir gerade auf der Zunge liegt, vielleicht noch mal überdenken?" und wenn sich alle mit Respekt behandeln würden, hätten wir grundsätzlich weniger Gewalt, da bin ich sicher.

Meine Eltern hatten übrigens einen wichtigen Grundsatz:
Egal was sie von jemand hielten, vor uns Kindern wurde NIE schlecht über einen anderen Menschen geredet. Heute bin ich ihnen sehr dankbar dafür.

8 Kommentare:

  1. Respekt, so ist wenigstens meine Wahrnehmnung, ist für immer mehr Menschen was man für den Umgang für sich selbst reklamiert jedoch dem Nächsten nicht entgegenbringt, bzw. nur dann wenn's sich lohnt.
    Es fängt mit so Kleinigkeiten an wie dem Begrüßen des Nachbars morgens vor der Tür und endet in der körperlichen Gewalt.
    Es gibt Situationen die mich im Rückblick betrachtet beschämen, in denen ich andere respektlos behandelt habe, sie lächerlich gemacht habe. Ich entdecke an mir, je ferner mir jemand ist, desto schneller bin ich in der Lage auszublenden, dass da ein Mensch ist.
    Jemand der fühlt!
    Ob und wie kausale Zusammenhänge zwischen den Begriffen bestehen mit denen das Mädchen im Video zur wertlosen Sache gemacht wurde und den späteren Gewaltausbrüchen ist dabei nicht entscheidend.
    Im sprachlichen Stigmatisieren beginnt, oft unbemerkt, die eigene Entmenschlichung.

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  2. Vielleicht liegt es daran, dass ich seit 15 Jahren unter Männern arbeite, aber immer noch werden Frauen zu oft als "fickbar" oder nicht "fickbar" deklariert, Ihnen auf den Hintern geklatscht als wäre es nichts. Die gleichen Kerle sind völlig entrüstet, wenn ein schwuler sie auch nur ansieht

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    1. Selbstgerechtigkeit ist eine Eigenschaft, der wir alle allzuschnell verfallen, die aber sehr anstrengend ist, wenn man sie an anderen beobachtet oder wenn man Opfer derer wird.

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  3. Zitat: "Ich behandle meine Mitmenschen so, wie ich selbst gerne behandelt werden möchte." Dem ist nichts hinzuzufügen.

    Das heißt nicht, dass es mir immer gelingt. Es gibt einfach Situationen oder auch Menschen, die unter "jetzt hast du eine Menge über dich selbst gelernt" laufen. Und manchmal stehe ich auch einfach mit dem falschen Fuß auf. Aber Ziel ist es, andere so zu behandeln, wie ich selbst behandelt werden möchte.

    Danke dir für diesen Post. ;)

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  4. Gewalt ist grundsätzlich abzulehnen. Egal von wem sie ausgeht, egal gegen wen sie sich wendet. Und wer mal dabei war, wenn sich Frauen über Männer unterhalten, der weiss, dass "Sexismus" (Ich nenne es Biologie.) kein rein männliches Phänomen ist.

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    1. Absolut. Frauen sind nicht besser, was das betrifft. Und ein weiteres Feld, was ich weitgehend ausgeklammert habe oben ist, dass Gewalt gegen Männer ebenso ein Problem ist wie Gewalt gegen Frauen. Und wenn ich schon schlimm finde, dass Frauen nicht darüber reden, wenn sie Gewaltopfer sind, dann ist das was passiert, wenn ein Mann sich traut, darüber zu reden, dass seine Frau ihn schlägt, noch schlimmer.

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