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Freitag, 16. November 2018

Was ist eigentlich Luxus und können wir uns den eigentlich leisten?

Und müssen wir uns den eigentlich leisten?

Ich beobachte den Wohnungsmarkt sehr genau. Die Preise steigen und steigen und steigen. Mein Eindruck ist, dass es sich niemand leisten kann, drauf zu warten dass die "perfekte" Unterkunft auf den Markt kommt denn bis diese da ist, ist sie unerschwinglich.
Schaue ich mir dann die Inserate genauer an, stelle ich eines fest: sie sind gern durchsaniert, mindestens das Bad, gern auch die Küche ist aufs luxuriöseste renoviert. Da sind dann große Granitfliesen auf dem Boden und an den Wänden. Es sind nicht mehr die einfachen Armaturen sondern es sind die der teuren Hersteller. Es gibt Fußbodenheizung und und und.

Ich verstehe zumindest ansatzweise, wie es dazu kommt aber ich halte das für eine gefährliche Entwicklung denn mein Eindruck ist, dass wir über unsere Verhältnisse leben. Und das nicht nur im Wohnbereich. Das einfachste Beispiel ist doch das Auto.

Vor 15 Jahren habe ich meinen Führerschein gemacht, damals fuhren wir ein gebrauchtes, etwas klappriges Auto. Es hatte keine Airbags aber es hatte schon ABS und Servo. Das wichtigste war aber: das war unser Auto. Es brachte uns zuverlässig von A nach B und wenns zu klein war, dann liehen wir uns ein größeres irgendwo aus oder wir hängten einen Anhänger dran. Da hatten wir nämlich auch einen Kleinen. Für die regelmäßigen Brennholztransporte.

Holz machten wir auch selbst. Also es wurde nicht angeliefert und musste dann nur noch in den Keller geschafft werden sondern mein Vater fällte die Bäume selbst, sägte sie auf Meter, holte das Holz aus dem Wald, sägte und spaltete es ofenklein und ließ es zwei Jahre trocknen. Klingt nach viel Arbeit aber dafür kostete der Festmeter nur 3-7€ und den Rest konnten wir selbst. Wir haben also Zeit, Kraft und in Sprit für die Motorsäge investiert, haben etwas für unsere Gesundheit getan und dafür den gesamten Winter günstig geheizt.

Wenn man sich heute umschaut und umhört, dann ist man mit so einem Leben der Freak. Altmodisch und "willst du dir das wirklich antun? Anliefern lassen oder eine andere Heizungsart wäre doch viel bequemer. Willst du wirklich erst den Ofen anmachen müssen morgens um es warm zu haben oder gar kochen zu können? Wir leben doch in 2018 und nicht in 1918! Einfach am Thermostat drehen oder den Herd anmachen und schon hast du es warm in der ganzen Bude, bedenke die Vorteile"

Auch bei Autos: "eine Klimaanlage muss schon sein und es sollte mindestens 100 PS haben, ich will ja nicht hinter den LKW herzuckeln und wenn ich auf den Pin trete, soll auch was passieren" 

Zuhause: "wenn wir schon renovieren, dann darfs auch was besseres sein, schließlich will ich nicht in 5 Jahren wieder renovieren." Aber dass man sich an modischen Fliesen nach einigen Jahren satt gesehen haben könnte und vielleicht auch so sehr, dass eine Renovierung not tut, das bedenken viele nicht. Oder dass die schickste Ausstattung sich binnen kurzer Zeit als total unpraktisch herausstellt oder gar kaputt geht weil sie mehr auf Aussehen denn auf Haltbarkeit getrimmt wurde, das wird auch oft nicht bedacht.
Muss es wirklich die Fliese für 50€/qm sein oder reicht mir auch die für 7€, auch wenn die zeitlos und nicht modisch ist? Muss es die Grohe Armatur sein oder tut es auch eine günstige? Verkalken tun beide gleichermaßen hier.
Muss wirklich der Tisch aus dem Möbelhaus gekauft werden oder könnte man Omas Tisch evtl abbeizen und neu lackieren (lassen)?
Am allerwenigsten aber, so scheint mir, bedenken die Menschen, dass sie viel mehr auf Pump leben als unsere Eltern oder Großeltern. Dispo hier, Verbraucherkredit da. Es ist super, dass es diese Möglichkeiten gibt und dass sie einem aus den schlimmsten Problemen heraus helfen. Aber sich drauf zu verlassen, das halte ich für gefährlich.
Was mache ich mit der Zeit die ich spare, wenn ich eine andere Heizungsart in ein Haus einbauen lasse oder die ich spare wenn ich mir ofenfertiges Holz anliefern lasse?

Nutze ich die gewonnene Zeit "sinnvoll" oder versumpfe ich vor Netflix (uh, Bezahlcontent) auf der Couch?
Überhaupt: Netflix: 
vor 20 Jahren taten wir alles, 
um vom kostenpflichtigen Kabelfernsehen los zu kommen
 und kostenlos über Satelit zu gucken
 und jetzt leisten wir uns Netflix, Spotify und co. 

Ich hab nix gegen Couchtage. Wirklich nicht, jeder braucht sie, jeder hat sie verdient. Aber geht man danach zufrieden mit sich ins Bett?

Was mache ich mit den 5 Minuten die ich gewinne, weil ich mein Auto mit 8,5 Litern Verbrauch auf der linken Spur mit 150km/h über die Autobahn jage? Habe ich wirklich was gewonnen, wenn ich zwar schneller, aber gestresster bin? Wenn ich ein 2-3 Liter pro 100km mehr an Sprit ausgebe, die Bremsen schneller abnutze weil ich öfter in die Eisen steigen muss?

Ich werde regelmäßig belächelt dafür, dass ich ein altes Auto fahre "willst du nicht was gescheites fahren? Da ist doch dauernd was dran kaputt, oder?" wenn ich frage, was gescheit ist, dann werde moderne Autos genannt.
Wenn ich aufzähle, was schon alles repariert ist und wie viel es gekostet hat, verstummen die Meisten. Sie sagen nur noch "ja, das muss man dann halt können, sonst muss man doch in die Werkstatt und das wird teuer. Also ICH könnte das nicht"

Ja, ich hab echt ein Riesenglück, dass der Mann an meiner Seite das meiste selber kann. Dass er Freunde hat, die helfen wenn wir alleine nicht weiter kommen. Aber einiges kann ich auch selbst und es gibt heutzutage für viele, besonders für ältere Fahrzeuge ganzes Wikis, die einem helfen sein Auto zu reparieren. Und dafür sparen wir viel Geld und vor allem:
Wir haben Spaß, wenn wir gemeinsam unterm Auto liegen. Und der ist unbezahlbar.

9 Kommentare:

  1. Luxus, meine Liebe, ist, dass ich gerade meinen Kaffee im Bett schlürfe und dann in nem Stündchen das Auto stehen und das intelligente tragbare Fernsprechgerät mit berührungsempfindlichen Farbbildschirm liegen lasse und drei Tage Tapeten wechsle. Kostenpunkt: 44 Euro plus das Kaffeepulver.

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  2. Luxus, ist wirklich vieles von dem Beschriebenen schon lange nicht mehr. Aber die meisten Leute von heute wachsen in diese reine, immer stärker werdende Konsumwelt hineine ohne sie zu hinterfragen. Es wird offenbar alles vergessen, das irgendwann mal war. Man muss ja nicht mit Keulen auf Mamuts losgehen, aber das "am Boden bleiben" geht leider völlig verloren!
    Ich gebe Ihnen recht, und kann diese Aussagen nur unterschreiben.

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    1. Der Mensch braucht nicht nur Flügel sondern auch Wurzeln. Sehr richtig!

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  3. Zeit ist Luxus. Deswegen geniesse ich heute auch einen Tag an dem ich alles machen kann, aber nix muss ;-)

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  4. Ich wurde belächelt vor Jahren, als ich mir PVC - Belag ins Haus legen lies.
    Es lächelt jetzt keiner mehr.
    Bei den meisten gibt's schon neuen Fußboden.
    Meiner sieht nach fast acht Jahren noch gut aus. Der ein oder andere Kratzer ist nach der Zeit wohl legitim.
    Ich lächle also meist still vor mich hin, wenn die Sprache auf Renovierung kommt.
    Ich hab seinerzeit bei Um- und Ausbau darauf geachtet, das die Sachen haltbar sind, das ich größere Sachen also innerhalb meiner Statistischen Lebenserwartung nicht noch mal machen lassen muss. Ich hab auch nur Sachen gekauft, von denen ich sicher war, das sie mir auch in ein paar Jahren noch gefallen, und sie praktisch sind.
    Was preisgünstiger gegangen wäre, sind die Einbauschränke, ja vielleicht. Dafür hab ich dann echt irre viel investiert.
    Erstmal, die sind wahnsinnig praktisch....zum Zweiten, die bleiben vermutlich stehen, wenns Haus einstürzt.
    Ja, die war furchtbar teuer.....aber die Anschaffung hat sich echt mal gelohnt.

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  5. Ich halte es für richtig, dass wir über uns Konsumverhalten nachdenken. Ich hab mich nicht nur einmal ertappt gefühlt, bei dem was Du geschrieben hast.
    Allerdings ist es wie so häufig nicht schwarz oder weiß. Will sagen, teurer ist oft langlebiger und damit am Ende die richtige Entscheidung. Viele Ressourcen werden nicht im Lebenszyklus eines Produktes verbraucht, sondern zur Herstellung des Produktes.
    Du stellst in Deinem Beitrag die Frage was man mit "gewonnener" Zeit macht.
    Mein Luxus, und den lasse ich mir nicht nehmen, ist in dieser gewonnenen Zeit mit einem lieben Menschen ganz viel Nähe zu erleben. Dabei zu entschleunigen und ohne Druck auf ein Ergebnis sich einfach aufeinander einlassen.

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    1. Das ganze Leben ist grau und das nicht nur "50 shades of..."

      Und diese ganze Geschichte ist so vielschichtig, dass ich bei Gelegenheit noch mal einen Blogpost nachschieben werde.

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