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Sonntag, 22. Januar 2017

Geschichten, die das Leben schreibt

Womit man mich ja immer kriegt, wie neulich schon angedeutet, ist Blödsinn.

Eigentlich ist das das falsche Wort. Richtig wäre: Verrücktes. Dinge, die man nicht erwartet, Dinge, über die zB die Familie im ersten Moment die Nase rümpfen würde. Aber auch Dinge bei denen man insgemein Bewunderung erntet, Dinge bei denen dir später jemand die Hand auf den Arm legt und sagt "Mensch, dass du das so machst, schon irgendwie cool"

Ich rede nicht von Sachen wie Bungee Jumping, wie Wingsuit fliegen (ok, das reizt mich dann doch ein bisschen) ich rede nicht von unheimlich kostspieligen Sachen wie ein Hawaiiurlaub. (wäre ja schon geil, aber wir bleiben mal im low budget Bereich) sondern ich rede von Sachen die man erlebt, wenn man eben nicht auf dem Sofa liegt.
Bei mir kam irgendwann vor einer Weile der Punkt, an dem ich nach einem ziemlich anstrengendem Tag abends um 18 Uhr heim kam und mir wäre nichts lieber gewesen als aufs Sofa oder Bett zu fallen, gegen 21 Uhr total erschöpft einzuschlafen den Tag so ausklingen zu lassen. Aber an diesem Tag gab es da diese innere Stimme die sagte "Ey, Laterne, du bist jung, du bist single, es ist Freitag abend, tu egal was aber du wirst diesen Abend nicht alleine zu Hause bleiben"

Genau das tat ich. Und dann war ich so wach, diese Nacht hätte nie enden müssen.

Das sind Geschichten, die ich mal erzählen möchte, wenn ich alt bin.

Als ich klein war, hatte ich einen Großonkel. Der war damals schon sehr alt und er hatte viel erlebt. Er hat im zweiten Weltkrieg gekämpft und war in russischer Kriegsgefangenschaft. Ich war vielleicht 4 oder 5, da erzählte er mir Geschichten aus dieser Zeit. Da war nix beschönigt. Und genau deshalb hing ich an seinen Lippen und lauschte jedem Wort. Er erzählte davon, wie ihm Kugeln um die Ohren flogen, wie er in der Gefangenschaft behandelt wurde, wie Entlausungsaktionen durchgeführt wurden und so weiter. Es ist so lange her, dass ich mich nicht mehr wirklich an vieler erinnere und ich wäre unheimlich froh, ich könnte zu ihm gehen und sagen "Onkel, erzähl noch mal von damals" und diesmal würde ich mitschreiben.

Liebe Eltern: ich weiß, dass Märchen mitunter grausam sind. Wenn liebe Großmütter gefressen werden und so weiter. Aber bitte: Es sind Märchen. Erzählt sie! Und sprecht mit den Kindern dann über das Erzählte. Erinnert sie daran, dass es eben Märchen sind. Es sind Kinder, sie brauchen keine Welt aus Watte sondern sie brauchen das Rückrat, es mit dem bösen Wolf aufzunehmen.

Seine Frau, meine Großtante hat den Krieg auf ihre eigene Art erlebt. Im Teeniealter musste sie fliehen und sie war alt genug, dass sie irgendwann für ein Jahr mit Soldaten durchgebrannt ist. Was man so alles erfährt, wenn die Protagonistin erst tot ist. Dieses Thema wurde natürlich tot geschwiegen, über sowas spricht man nicht. Hätte ich davon früher erfahren, ich hätte sie drauf angesprochen: "Tante, wie war das damals, was hast du erlebt als Oma mit Uroma und Uropa auf der Flucht war?"

Die Geschichte meiner Oma, die aus dem heutigen Schlesien geflohen ist, die haben wir aufschreiben können. Auch die Geschichte ihres Vaters haben wir retten können. Niedergeschrieben in einer Sütterlinähnlichen Schrift verbrachte ich einige Wochen mit entziffern und tippen.

Wenn ich alt bin, kann ich meinen Enkeln, (Groß-)Nichten und Neffen keine Geschichten aus dem Krieg erzählen. Das hoffe ich zumindest. Aber vielleicht kann ich ihnen Geschichten mitgeben die sie zum Nachdenken anregen. Die Welt wird immer medialer. Ich bin sehr sicher, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft die sozialen Netzwerke nicht mehr in der Tasche tragen sondern irgendwie implantiert, sodass wir das alles direkt vor dem (inneren) Auge sehen. Dass wir dann selbst in der Sauna, beim Tauchen im Ozean und beim Sex online sein werden. Und wenn ich als alte Frau in meinem Sessel sitze, möchte ich Geschichten erzählen aus der Zeit, wo man das Handy ausschalten konnte und Abenteuer erleben konnte. Und wenn ich meine Sache gut mache, dann schaffe ich es vielleicht, dass sie ihr Endgerät mal weg legen und mal etwas erleben. Für sich. Nicht für Follower, nicht für Likes, Favs oder ein Publikum. Sondern um zu strahlen und vielleicht vielleicht - ihren Enkeln davon zu erzählen.

Und ja, insgeheim will ich diese Geschichten auch deshalb erzählen damit die Eltern der Kinder, die mir da lauschen, reinplatzen und sagen "Ey, Tante Laterne, du kannst doch sowas nicht den Kindern erzählen!!!" und die Kinder strahlen und sagen "Doch Tante Laterne, erzähl weiter!" und dann werde ich lächeln und sagen "ihr könnt eure Kinder nicht vor der Welt beschützen, aber ihr könnt Kinder aus ihnen machen, die dieses riesige Abenteuer da draußen mit Spaß meistern"

Das habe ich von meinem Onkel gelernt damals: selbst wenn der Lauf auf dich zeigt, selbst wenn du irgendwo in Gefangenschaft lebst, du lebst. Also lebe das Leben was du hast so gut du es kannst. Es kommen auch wieder andere Zeiten also mach immer das Beste aus dem was gerade ist. Dir zuliebe.

2 Kommentare:

  1. Geschichten bewahren, weitererzählen, sich erinnern und immer wieder rausgehen, erleben im hier und jetzt.
    Das ist Leben!

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  2. Ein schöner Post. Recht hast du. Was nicht heißt, dass ich das lebe, was du schreibst. ;) Aber ich bin mir sicher, dass ich am Ende meines Lebens nicht sage: "Ich wünschte, ich wäre vernünftiger gewesen." Ganz im Gegenteil.

    LG Anna

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